Im April und Mai habe man sich in den Großvereinen mit Kurzarbeit über die Runden retten können. Nun, da die Türen unter deutlichen Corona-Auflagen wieder geöffnet wurden, schlagen auch Personalkosten und Aufwendungen für die eigenen Sportanlagen wieder voll zu Buche – bei weniger und demnächst vielleicht dramatisch sinkenden Einnahmen. Sorgenvoll schauen Boris Schmidt und seine Mitstreiter vom Freiburger Kreis in Richtung Jahresende. Der Silvester-tag könne für die Sportvereine in Deutschland zum magischen Datum werden. Ihnen droht zum letzten Tag des Jahres eine Austrittswelle: „Bei manchen Vereinen kann man zum Quartals-Ende kündigen, bei manchen zum 30. Juni. Eine Kündigung zum Jahresende, die ist bei wirklich jedem Sportverein möglich.“ Bei seinem Heimatverein, der Turn- und Sportgemeinschaft (TSG) Hamburg-Bergedorf, hat Schmidt bereits einen Vorgeschmack auf Kommendes erlebt. Ende 2019 standen stolze 11.081 Mitglieder zu Buche, zum Stichtag letzter Juni hatten sich rund 900 von ihnen verabschiedet.
„Das war ja noch halbwegs normal, Abmeldungen in dieser Größenordnung haben wir immer um diese Zeit. Dafür melden sich aber zur Mitte des Jahres immer 600 bis 700 neue Mitglieder an. Das ist so der übliche Rhythmus. Diesmal sind zum Halbjahres-Ende die Neuzugänge komplett ausgeblieben. Das ist schlimm für uns.“
Die Gefahr, dass auch zum Jahresende keine neuen Mitglieder und stattdessen noch mehr Austritte zu Buche stehen, bereitet Schmidt, seit 33 Jahren an der TSG-Spitze in Bergedorf, schon jetzt schlaflose Nächte. Zumal diese Entwicklung den gesamten Freiburger Kreis und darüber hinaus die kleineren Vereine treffen könnte. Höchste Zeit sei es darum, nach nunmehr fast einem halben Jahr der Erfahrungen mit Corona die Besonderheiten des sportlichen Vereinslebens der großen Politik klar und deutlich vor Augen zu führen.
Rücklagen für Krisenzeiten dürfen Sportvereine nach ihrem Charakter nicht bilden, finanzielle Polster sind naturgemäß nicht vorhanden. Sie sind keine Unternehmen, die von den Milliarden schweren Hilfsfonds des Bundes oder der Länder aufgefangen werden könnten. „Diese Hilfsangebote nützen uns Sportvereinen nichts“ betont Boris Schmidt. „Wir müssten nachweisen, dass unser Umsatz im April und Mai im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent zurückging. Sollen wir erst dann Anträge stellen dürfen, wenn wir zwei Drittel unserer Mitglieder verloren haben? Bei solchen Verlusten wären wir längst nicht mehr da.“ Die Situation des Vereinssports müsse deshalb in seiner ganzen Breite gegenüber den Parlamentariern erneut differenziert dargestellt werden. „Zwar sitzen die Sportvereine alle im selben Boot, doch die Unterschiede sind beträchtlich.“