Digitalisierung im Sport – Potentiale erkennen und nutzen
Vom 19. bis 21. April trafen sich über 180 Interessierte in der niedersächsischen Hauptstadt zum Frühjahrsseminar 2018. Der Vorstandsvorsitzende des Freiburger Kreises Boris Schmidt begrüßte die zahlreichen Vereinsvertreter in Hannover und eröffnete das Thema „Digitalisierung im Sport – Potentiale erkennen und nutzen!“. Der Gastgeberverein Turn-Klubb zu Hannover, vertreten durch Hajo Rosenbrock, lud zu seinem 160-jährigen Geburtstag zu sich ein und schuf einen sehr angenehmen Rahmen für dieses Seminar. Ein innovatives Live-Voting zur Frage: „Digitalisierung – Bedrohung oder Chance?“ ließ die Teilnehmer sogleich aktiv an der Veranstaltung teilhaben und holte das Seminarthema greifbar in den Raum.
„Digitalisierung des Sports – Vereine als Verlierer oder Vorreiter?“
Mit einem Impulsreferat sorgte Prof. Dr. Hans-Jürgen Schulke dafür, dass die folgenden Seminartage thematisch auf eine sehr gute Grundlage gestellt wurden. Sein Vortrag „Digitalisierung des Sports – Vereine als Verlierer oder Vorreiter?“ machte provokant deutlich wie die Digitalisierung in alle Lebensbereiche vorgestoßen ist und auch Sportvereine nicht unberührt geblieben sind. Er spricht von einer neuen Qualität der digitalen Transformation, die in unserer Welt vorherrscht. Bedroht diese den Sportverein von heute? Über eine Zeitreise des Sports beginnend bei den Zeiten Turnvater Jahns, die die Entwicklung des Sports bis verdeutlichte, kommt er zu dem Schluss, dass die Organisation Sportverein längst im Prozess der Digitalisierung angekommen ist. An vielen Stellen des Sports werden bereits digitale Helfer und Angebote genutzt. Es stellt sich nur die Frage, wie Sportvereine damit umgehen. Mahnend weist er auf die großen digitalen Konzerne hin, die die Welt des Sports für sich entdeckten und damit für Sportvereine eine zusätzliche Herausforderung werden würden, um deren Angeboten gegenüber in Zukunft bestehen zu können.
Am Freitagmorgen fand Oberbürgermeister Stefan Schostock wertschätzende Worte. Man sei stolz auf den Turn-Klubb zu Hannover, der die Sportstadt zu großen Teilen mitgestaltet. Darüber hinaus sei die Messestadt im Bereich der Digitalisierung gut aufgestellt. Schostock stellt insbesondere die CeBit voran, verweist aber auch auf die Digitalisierung verschiedenster Veranstaltungen. Zahlreiche Unternehmen der digitalen Branche lassen sich in Hannover finden. Und einige innovative StartUps, die den Sport durch digitale Anwendungen unterstützen, kommen aus Hannover. „Hannover ist digital“, so Schostock . Man hat die Digitalisierung aufgenommen und stellt sich in verschiedensten Bereichen des Lebens entsprechend auf. In Hannover heißt es bei neuen Lösungen: “Digital first!”
SMART SPORT – Bewegung, Sport und Jugendkultur in urbanen Räumen
Anschließend übernahm Martin Schönwandt von der Deutschen Sportjugend das Podium und illustrierte in seinem Vortrag „SMART SPORT – Bewegung, Sport und Jugendkultur in urbanen Räumen“ die Entwicklung einer App für Jugendliche. Diese nutzerorientierte Anwendung verknüpft die digitalen Medien mit der Bewegung im Sportverein. Zeitnah wird die App „Smart sport“ bereit stehen und über verschiedenste Kanäle Verbreitung finden.
Neben sportbezogenen Apps sind Wearables, also Sensoren in Kleidungsstücken und Gegenständen, aktuell und beliebt. Prof. Dr. Paul Lukowicz vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, nahm sich dessen an und stellte die Möglichkeiten vor. Unter dem Titel „Next Generation Wearables“ zeigte er unterhaltsam auf, was zurzeit an Wearables existiert und welche zukünftig noch hinzukommen werden.
Daraufhin erfolgte ein Live-Voting zu diesem Thema, bevor sich die Firmen Icaros und Sisyfox vorstellten. Icaros ist eine Bewegungserfahren in einer digitalen Welt, in der man ein Fluggerät steuert, indem man mit dem ganzen Körper agiert. Auch Sisyfox nutzt eine digitale Welt, in der man über einen großen Ball eine Figur steuert, die einen Fels rollt. Beide spielerischen Erfahrungen konnten im Digi-Raum innerhalb der Seminartage ausprobiert werden.
Digital Natives: Digitales Organisationsverhalten von jungen Menschen im Sport
Weiter brachte Dr. Arne Göring, stellvertretender Leiter des Hochschulsports in Göttingen, das Thema „Digital Natives: Digitales Organisationsverhalten von jungen Menschen im Sport“ auf die Bühne. Göring hält fest: „Bestimmte Generationen werden durch Entwicklungen in der Gesellschaft beeinflusst. Hieraus resultiert ein besonderes mediales Nutzungsverhalten.“ Im Fokus stehen Digital Natives. Digital Natives sind Menschen, die im digitalen Zeitalter großgeworden sind und diese umfangreich in ihr Leben implementiert haben. Er geht der Frage nach, welchen Einfluss digitale Medien auf die jungen Menschen haben? Die fünf Bereiche Selbstverwirklichung/Authentizität, Inszenierung, Selbstoptimierung, Flexibilisierung und informelle Organisationsformen sind die maßgeblichen Gestaltungsfaktoren der Welt der Digital Natives. Sportvereine müssen sich fragen, wie sie eine passende Umwelt für diese Anforderung bieten können. Was heißt das konkret für den Sport? Die Nutzerflexibilität muss aufgegriffen werden, attraktive Smart Services müssen bereitstehen und der Sport sollte die Angebote der digitalen Welt für sich nutzen. Göring fordert den Vereinssport auf sich hier neu aufzustellen, um attraktiv zu bleiben.
Dr. Frank Vohle, Geschäftsführer Ghostthinker GmbH, fährt fort und gibt einen Einblick in den Bereich Social Video Learning. Vohle zeigt Lösungen auf, um die digitalen Möglichkeiten in Form von Social Video Learning im Bereich Sportbildung einzubringen. Heimatverein und Sportschule arbeiten dabei mit einer digitalen Plattform und schaffen dabei Blended Learning, also Bildung mit Präsenzphasen und E-Learning. Auch Social Video Learning – Videoaufnahme mit Interaktion können hilfreiche Unterstützung bieten. Als Ergänzung zu Videos sind auch Social Cognitive Tools in Form von Maps oder Blogs denkbar. Auch der Austausch in digitalen Räumen ist gewinnbringend. So stellt er zahlreiche Teile der Digitalen Welt dar, die es gilt zu nutzen.
Mit Freude begrüßte der Innenminister des Landes Niedersachsen, Boris Pistorius, die Sportvereinsvertreter und beginnt seinen Beitrag mit dem Statement: „Die Digitalisierung stellt für den Sport eine große Chance dar.“ Er appelliert an die Teilnehmer, dass „Sport den Prozess der Digitalisierung aktiv mitgestalten sollte.“ Sportvereine müssen dabei aber Orte der persönlichen Begegnung bleiben. Dies schließt nicht aus, Digitales zuzulassen und zu nutzen. Abschließend stellt er in Aussicht: „Die richtige Balance zu finden, wird die Herausforderung der Vereine sein!“
Die anschließende Podiumsdiskussion mit Boris Pistorius, Boris Schmidt (Vorstandsvorsitzender Freiburger Kreis und Vorstandsvorsitzender TSG Bergedorf) und Prof. Dr. Lutz Thieme (RheinAhrCampus Remagen) stellt Einigkeit heraus, dass Sport immer analog bleiben wird. Dennoch wird der Sportverein in zehn Jahren anders aussehen als heute. Wie sich der Sportverein der Zukunft im Bereich der Digitalisierung aufstellt, bleibt jedoch nicht eindeutig beschreibbar. Der Bereich eSports als neue Erscheinung habe Sportbezug, lässt jedoch die Bewegung vermissen. „eSports wird nicht die Zukunft des Vereins ausmachen“, so Schmidt, „darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden.“ Thieme merkt an, dass die Funktion der Verbände sich in diesem Bereich ändern wird. Ist eSports dem bewegten Sport gleichwertig? Diese Frage wird in Zukunft zu beantworten sein.
„Das Thema Nummer Eins ist die digitale Transformation“, beginnt Dr. Patrick Kramer seinen Vortrag über Bodyhacking. Der menschliche Körper wird erweitert durch technische Komponenten. „Technologie wird in die breite Masse treten“, so Kramer. Bereits heute werden medizinische und kulturelle Implantate eingesetzt. Zahlreiche Anwendungsbeispiele illustriert Kramer sehr bildhaft und überrascht das Plenum, indem er Thorsten Wetter und Hajo Rosenbrock direkt auf der Bühne ein Microchip-Implantat einsetzt und sie damit zu vernetzten Vereinsmitgliedern macht. Überraschend war bei einer Abfrage, dass ca. 40% der Seminarteilnehmer bereit wären, sich ein solches Implantat unter die Haut der Hand setzen zu lassen.
Working Space und Desksharing
In der Info-Börse stellte Olaf Jähner das Workbook2030 des niedersächsischen Turnerbundes vor. Das Workbook ist ein praxisnahes Handbuch für Vereinsgestalter mit dem Ziel, sich mit aktuellen Trends zu beschäftigen und damit die Entwicklung seines Vereins zu erarbeiten. Auch Hajo Rosenbrock kam nochmals zu Wort und erläuterte bildhaft die Konzeptionierung „Working Space und Desksharing“ in den Geschäftsräumen des Turn-Klubbs.
Zeitgleich zum Hauptseminar am Samstag fand das Nachwuchsführungskräfteseminar statt, das sich mit Kreativitätstechniken beschäftigte. Gute Stimmung und viele neue Erkenntnisse resultierten aus dem beliebten und unterhaltsamen Seminar für die jungen Vereinsgestalter.
Klaus Dehling vom DJK Eintracht Coesfeld stellt am Samstagmorgen „Das papierlose Büro“ als Best-Practice-Beispiel vor. Mit Hilfe einer Software archiviert der Verein seit acht Jahr Unterlagen für Mitglieder, Übungsleiter, aus der Presse oder für die Buchhaltung. Auch Kursanmeldungen erfolgen digital über die Homepage. Somit nutzt der Verein die Möglichkeiten der Digitalisierung in hohem Maße.
Horst Lienig greift den Gedanken der digitalen Unterlagen auf und bezieht sich im Folgenden auf das Rechnungswesen mit elektronischer Buchführung. „Auch dieser Bereich wird zunehmend papierlos werden“, meint Lienig. Bei Prüfungen sind die digitalen Daten offenzulegen. Neu ist die digitale Sozialversicherungsprüfung auf Knopfdruck. Neu wird auch sein, dass ausschließlich elektronische Kassensysteme zulässig sein werden. So zeigt sich, dass die digitale Welt auch hier zunehmenden Einfluss nimmt.
Als weitere konkrete Umsetzung von Digitalisierung wurden die Teilnehmer aufgefordert, an allen drei Tagen die Feedback-Bögen jeweils nur noch online auszufüllen.
Zum Schluss des Seminars dankt Boris Schmidt den Teilnehmern, Mitwirkenden und Unterstützern. Mit Freude blicken er und die Teilnehmer auf das Herbstseminar vom 18. bis 20. Oktober in Nürnberg, das sich mit Stadtentwicklung mit und durch Sport beschäftigen wird.
Text: Tobias Hartrich